Schauspielerin und langjähriges Teammitglied Lotti Zwingli. (Bild: ZVG)
Lotti begann als Verkäuferin. Wegen ihrer Freude an der Mode? Schon auch, aber nicht nur. Bald zog es Lotti in die Ferne. Sie begegnete Marlene Dietrich, einer früheren Schauspiel-Ikone. Später wurde Lotti selber Schauspielerin.
Für mein Interview mit Lotti fahre ich nach Berg, einer beschaulichen Ortschaft 4.5 km im Nordosten Weinfeldens. Es ist ein regnerischer Tag. Ich treffe Lotti und zwei ihrer Freundinnen im Restaurant Frohheim in der Dorfmitte. Das Interview findet bei Kaffee und Dessert statt. Lotti ist farbig gekleidet. Die Atmosphäre ist locker, zuweilen auch nachdenklich. Immerhin wird es voraussichtlich unser letztes Treffen sein. Lotti wandert in wenigen Wochen nach Mallorca aus – und verlässt dadurch nach vielen Jahren das Spitalradio. Während ihrer Mitgliedschaft leistete Lotti viele Einsätze zugunsten unseres Vereins. Sie brachte ihre Teamkolleginnen und Teamkollegen zum Lachen, das Technikteam hie und da zum Schwitzen und ermöglichte Kindern den Einblick in die faszinierende Welt des Spitalradios.
Radio S: Erzähl uns bitte ein bisschen über deinen Werdegang vor deiner Zeit bei uns.
Lotti: Ursprünglich habe ich eine Lehre als Verkäuferin in einem Modehaus in Zürich gemacht. Das war die kürzeste Lehre, die sich mir damals bot.
Radio S: Hat dich denn die Mode an diesem Beruf gereizt?
Lotti: Ich wollte mit Menschen zu tun haben. Auch darum habe ich den Beruf ausgewählt und das war mir auch später immer wichtig. Nach der Lehre verbrachte ich Aufenthalte im Welschland und in England. Ich nahm verschiedene Jobs an. Irgendwann kam ich am Anfang der 1970er-Jahre durch eine Kollegin auf die kanarischen Inseln. Das war in einer Zeit, in der dort die ersten Apartments gebaut wurden. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Meine Aufgabe war es, Wohnungen im Neubau zu zeigen und zu verkaufen. Nach einem Jahr wurde ich nach Heidelberg aufgeboten. Dort wurde ich bei der Lufthansa zur Reiseleiterin ausgebildet, da ich in der Zwischenzeit fünf Sprachen sprach. Der erste Einsatz war in Mallorca. Dort begegnete ich durch meinen Freund - der im Showbusiness tätig war - der Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich.
Radio S: War das der Grund, warum du nachher Schauspielerin geworden bist?
Lotti: Nein, das hatte einen anderen Ursprung. Noch während meiner Zeit als Reiseleiterin verwandelte ich die Empfangscocktails oft in ein kleines Spektakel. Es folgten dann Reiseleiter-Einsätze auf den Kanaren, in Senegal und in Thailand. Nach der Geburt meines Sohnes kehrte ich dann in die Schweiz zurück und arbeitete bei einem Reiseunternehmen am Schalter und begann auch mit der Schauspielerei.
Radio S: Was hat dich denn an der Schauspielerei fasziniert?
Lotti: Ich war fasziniert von der Idee, sich in einen anderen Charakter zu verwandeln. Ich wollte herausfinden, ob ich das kann. Durch Kurse - doch vor allem durch verschiedene Rollen in Theatern - durfte ich in Fernsehaufzeichnungen Hauptrollen übernehmen und lernte schliesslich den Regisseur Claudio Ricci kennen. Wir verwirklichten ein „Ein-Frau-Stück“, was eine besondere Erfahrung war. Der Inhalt war meine Idee. Geschrieben und inszeniert hat es ein Autoren-Team unter der Leitung von Claudio, der auch Regie führte. Meine Stärken auf der Bühne sind die Komik und die Mimik. So entstand dann „Lola auf Reisen“, ein 75-minütiges Stück zum Lachen und Schmunzeln. Damit stand ich viele Jahre auf verschiedenen Bühnen und Events.
Radio S: Und etwa im Jahr 2010 bist du zu Radio S gekommen. Wie kam es denn soweit?
Lotti: Eine Kollegin von mir war wegen einer Operation im Kantonsspital Frauenfeld. Sie zeigte mir das Spitalradio. Auf Sendung war Michi, mit dem wir dann ein bisschen herumblödelten. Der Song Have You Ever Really Loved A Woman von Bryan Adams durfte ich mir wünschen. Das ist mir bis heute geblieben und ich spielte ihn noch oft im Wunschkonzert. Die Moderation im Radio ist etwas ganz anderes als das Schauspiel. Ich habe noch heute Herzklopfen, wenn ich auf Sendung gehe. An der Tätigkeit im Spitalradio gefällt mir der soziale Beitrag für die Patientinnen und Patienten.
Radio S: Du hast immer wieder Ferienpässe für uns durchgeführt, wofür wir dir dankbar sind. Dir scheint auch dieses Ämtchen gut gefallen zu haben.
Lotti: Ja, denn ich habe schon immer gerne mit Kindern gearbeitet. Schon in meiner Zeit als Reiseleiterin. Ich führte auch oft Regie für verschiedene Stücke mit Kindern und Jugendlichen.
Radio S: Was war dein schönstes Erlebnis bei uns, wenn du nun zurückschaust?
Lotti: Es sind eigentlich drei Erlebnisse. Einmal schaute ein Patient mit Infusionsständer im Studio vorbei, als ich auf Sendung war. Ich fragte ihn, ob er einen Musikwunsch habe und er hatte prompt einen. Er ging dann auf sein Zimmer und hörte seinen Wunsch. Später kehrte er zurück und brachte zum Dank zwei Schokostängel vorbei. Eindrücklich war auch, als zwei Erwachsene einen Musikwunsch für einen sterbenden Angehörigen vorbeibrachten. Eher witzig war schliesslich ein Grusstext, den ich einmal vorlesen musste. Eine Frau wünschte einem Herrn „einen guten Stuhlgang“. Meine Moderationskollegin wollte das nicht vorlesen. Für mich war es kein Problem. Ich fand es lustig.
Radio S: Was wirst du vermissen?
Lotti: (Überlegt) Ich werde das Team und das Moderieren ganz besonders vermissen. Aber ich werde ja weiterhin für Werbespots in die Schweiz zurückkommen und auch an der Universität Zürich als standardisierte Patientin spielen. Nun freue ich mich auf meine Zeit in Mallorca. Ich habe mir vor kurzem beim Einschlafen vor meinem geistigen Auge schon meine Räumlichkeiten eingerichtet. Es wird schön. Ich freue mich.